Schlaf gut, meine Liebe – aus Sicht der TCM

Unser Schlaf bringt uns in die Ebene, wo sich der Körper entspannen und regenerieren kann.

Es gibt meines Erachtens wenig Dinge, die so gesundheitsfördernd sind wie ein guter Schlaf. Im Schlaf erneuern sich unsere Ressourcen. So werden die Zellen geteilt, repariert und auf deren Integrietät kontrolliert. Die Erlebnisse am Tag werden aufbereitet und verarbeitet.

Wenn Menschen mit Beschwerden jeglicher Art zu mir kommen, befrage ich sie immer nach dem Schlaf. Ist dieser nicht zufriedenstellend, beziehe ich immer eine Verbesserung der Schlafqualität in das Behandlungskonzept ein.

Wenn im Körper das Yang dominiert und weiter überhand nimmt, dann wird das Yin verletzt. Gerade zur Zeit des Yin-Aufbaus, in der Nacht, verstärkt sich ein Yin-Mangel, wenn sich der erholsame Schlaf nicht einstellen kann.

Der Schlaf ist aus Sicht der TCM abhängig von Shen und seiner Verwurzlung im Herz-Blut. Shen ist der geistige Aspekt der Wandlungsphase Feuer.

Shen könnte mit „Geist, Verstand, Spiritualität, Gegenwärtigkeit“ kläglich übersetzt werden. Shen bedeutet „die Begeisterung für das Leben, lebendig sein und auch andere begeistern können“. In einer Gesellschaft wie unserer, der es so oft eben an „Shen“ fehlt, fehlen auch die treffenden Worte. „Shen“ ist m.E. die Weitsicht, die uns auf der kognitiven Ebene mit dem Kosmos verbindet und uns immer wieder für das Leben einnehmen – begeistern – lässt. Aber auch das Funkeln in den Augen, wenn wir uns mit vollem Herzen und klarer Sicht für etwas begeistern, sprechen von der Stärke des Shen. Wem es an Shen fehlt, der hat einen trüben, matten Blick oder die Augen irren wirr umher wie wir es bei Menschen mit einer Drogenabhängigkeit finden.

Der Shen kann durch alles genährt werden, was unserem Herzen tiefe Freude bereitet sowie durch entsprechende Ernährung und TCM in Form von Akupunktur, Phythotherapie und Shiatsu. In schwer belastenden Zeiten wie Krieg und Missbrauch muss der Shen auch teilweise versteckt werden können, damit diese Energie nicht verströmt wird – aus westlicher Sicht sprechen wir dann von Traumafolgen. Dies erklärt u.a. auch den Zusammenhang zwischen Trauma und Schlafstörungen.

Sorgen, Überarbeitung und zu viel Denken beeinträchtigen die Milz und schwächen somit das Blut als die Basis von Shen. Sorgen und lang andauernde seelische Belastungen können auch das Herz anstacheln und zu einem Herz-Yang-Überschuss oder gar Herz-Feuer führen.

Gerade Überarbeitung und starke emotionale Sorgen können die Herz-Nieren-Achse schwächen.

Starke Gefühle wie Wut und Frustration können die Leber-Energie aus dem Lot und uns so um den Schlaf bringen.

Auch eine Stagnation von Nahrung im Mittleren Erwärmer kann uns um den tiefen Schlaf bringen.

Es kann zwischen Mustern der Fülle und des Mangels bzw. Kombinationen aus beiden unterschieden werden:

Muster der Leere:

  • Herz- und Milz-Blut-Mangel
  • Herz-Blut-Mangel
  • Herz-Yin-Mangel
  • Herz und Nieren harmonieren nicht
  • Herz- und Gallenblasen-Schwäche
  • Leber-Yin-Mangel

Muster der Fülle:

  • Loderndes Leber-Feuer
  • Loderndes Herz-Feuer
  • Schleim-Hitze bedrängt den Geist
  • Rest-Hitze im Zwerchfell
  • Nahrungsstagnation im Mittleren Erwärmer

Bei den Mustern der Leere ist der Zustand von Yin und Blut und vom Herzen ausschlaggebend:

Die Milz stellt die Basis für die Blutgewinnung her. Wenn sie durch Sorgen und entsprechende Ernährung geschwächt ist, kann sich ein Herz- und Milz-Blut-Mangel entwickeln. Das Einschlafen fällt schwer und ist von Grübeln begleitet. Der Schlaf ist bleiern. Der Appetit ist oft reduziert oder auf bestimmte Speisen beschränkt – oft zum Beispiel auf zu süße Gerichte! Nach dem Essen setzt nach einem etwaigen Zuckerflash eine große Müdigkeit ein, gefolgt von schweren Gliedern. Die Zunge erscheint blass. Es braucht eine proteinreiche Ernährung mit viel gekochtem Gemüse, Getreide, Hülsenfrüchte, etwas Fisch und Rindfleisch. Vegan lebende Menschen brauchen eine ausgewogene Kombination von Gemüse und Hülsenfrüchten wie beispielsweise in der indischen Küche .

Wenn sich noch Herzklopfen gesellen, ist das Herz-Blut in Mangel geraten. Ich empfehle eine blutaufbauenden Ernährung (s.o.) und Dekokte aus Brennnesseln, Weinraute und Johanniskraut.

Aus einem geschwächten Nieren-Yin oder einem Herz-Blut-Mangel kann sich ein Herz-Yin-Mangel entwickeln. Zu den Einschlafschwierigkeiten gesellen sich Durchschlafprobleme. Wenn das Yin geschwächt ist, kann es nachts nicht mehr das Wasser halten. Es kommt zu Nachtschweiß und „Hitze an den fünf Flächen“(Hände, Füße und Brustbein). Eine große innere Unruhe stellt sich ein, die erlösende Entspannung im Schlaf fehlt zusehends. Dieser Zustand sollte sehr ernst genommen werden, da sich ein Herz-Feuer entwickeln kann. Auf das Vermeiden von Stimulanzmitteln wie Kaffee und von heißer, scharfer Nahrung sollte geachtet werden. Der kühlende Hopfen als Tee und auch der ausgleichende Lavendel können uns dem Schlaf wieder näher bringen.

Gerade in Zeiten der Überarbeitung kann sich der Schlaf schlechter einstellen. Es entsteht ein Teufelskreis der Erschöpfung. Nachts wacht mensch immer öfter auf. Der Schlaf scheint gar nicht mehr an Tiefe zu gewinnen. Dies ist ein ernst zu nehmender Zustand, der einen Burn-out begünstigt. Rückenschmerzen, Schwindel und Tinnitus zeigen die Beteiligung der Nieren. Die TCM spricht dann davon, dass Herz und Nieren nicht harmonisieren. Hilfreich sind Hopfen und Johanniskraut – hoch dosiert! Cave: Johanniskraut macht die Haut lichtempfindlicher. Einige Psychopharmaka wirken schlechter bei der gleichzeitigen hochdosierten Anwendung von Johanniskraut – bitte absprechen.

Wenn sich zu einem oberflächlichen Schlaf ein Aufwachen frühmorgens gesellt, dann verwundert es nicht, dass mensch bald die Unternehmungslust verliert. Eine Müdigkeit und schlechte Kondition sind oft die weiteren Folgen. In der TCM wird dafür die Schwäche von Herz und Gallenblase verantwortlich gemacht. Dieser Zustand kann sich nach chronischen Krankheiten einstellen. Es kann aber auch sein, dass Menschen mit dieser Schwäche geboren werden. Es sind dann die ängstlichen Kinder, die sich lieber an Mamas Hand über den Spielplatz bewegen anstatt neugierig auf Entdeckungsreise zu gehen. Es braucht Pflanzen, die etwas das Herz stärken und Spannungen lösen. Ich empfehle hierzu den Weißdorn .

Der Leber-Yin-Mangel hat eine längere Vorgeschichte und kann sich nach anhaltender Erschöpfung einstellen. Er zeigt sich im Aufwachen nachts mit einem trockenen Rachen. Tagsüber schmerzen die Augen, sind trocken und das Sehen ist unscharf. An der Wurzel setzt die Mariendistel an. Kombiniert mit Johanniskraut und Brennnessel baut sie das Leber-Yin nachhaltig, aber auch in einem länger andauernden Prozess wieder auf. Wichtig ist eine kosequente Umstellung des Lebenswandels mit mehr Ruhepausen tagsüber, entsprechender Ernährung und emotionalem Ausgleich.

Bei den folgenden Mustern der Fülle, haben wir als ersten Eindruck, dass die Menschen unter Druck stehen. Man möchte allzu gern das Ventil finden, um sie etwas zu erleichtern.

Wenn Alpträume eine aus dem Schlaf wecken, kann es sich um Feuer im Herzen oder in der Leber handeln. Bei dem Leber-Feuer steht die Reizbarkeit und die Tendenz zu Kopfschmerzen im Vordergrund, bei Feuer im Herzen die Unruhe und Herzklopfen. Beide brauchen kühlende, Yin-haltige Pflanzen. Dem Leber-Feuer tut der Löwenzahn , dem Herz-Feuer das Eisenkraut gut. Ratsam ist der Verzicht auf scharfes Essen, Alkohol, Kaffee und weitere Stimulantien.

Bei schwer wiegenden Schlafstörungen mit einhergehenden Eintrübungen der Wahrnehmung in Richtung Verwirrung und Manie ist ein alarmierender Zustand erreicht. Es kann sich um Schleim-Hitze im Herzen handeln. Es braucht dringend kühlende und schleimlösende Pflanzen bei gleichzeitiger Stärkung der Milz-Energie. Erste Anzeichen sind unangenehme Träume, Herzklopfen und ein klebriger Mundgeschmack. Der Appetit kann vermindert sein mit plötzlichen Hungerattacken.

Wenn eine Erkrankung teils verdrängt wurde (zum Beispiel durch Antibiotika), können sich Restpathogene einkapseln. Erkennbar sind diese an roten Punkten im Zentrum oder vorderen Teil der Zunge. Diese können zu einem unruhigen Schlaf mit Aufwachen führen. Der Brustkorb fühlt sich verstopft an und mensch möchte sich nicht mehr hinlegen. Pflanzen, die Restpathogene klären , sind wohltuend: Ringelblume, Thuja. Es kann zu einem kurzen Aufflackern der durchlebten Erkrankung kommen. Danach müsste die Zunge verändert aussehen .

Eine Nahrungsstagnation im Mittleren Erwärmer entsteht durch zu viel, unregelmäßiges und zu fettiges Essen. Essen zu später Stunde oder in unliebsamer Gesellschaft kann ebenso auf die Verdauung und somit auf den Schlaf schlagen. Es klingt etwas banal, hilft aber: Nicht essen und dann wieder mit regelmäßigem Essen von Schonkost beginnen.

In der Praxis finden sich meistens kombinierte Muster, die gut auf Akupunktur ansprechen können. Ich wünsche Ihnen einen erholsamen Schlaf!

 

 

 

 

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