Schlagwort-Archive: Psychose

Das vernebelte Herz- Akupunktur zur Vorbeugung und Nachsorge von Psychosen

Den Artikel habe ich zuerst für das Yin/Yang TCM Fachmagazin Nr.4/Dezember 2020 geschrieben.

Shen hat seinen Sitz im Herzen – ist der Herzensaspekt per se. Shen ist nicht immer klar. In der westlichen Medizin sprechen wir dann von Benommenheit bis hin zu psychischen Erkrankungen.

In der TCM gibt es mehrere Ansätze zur Erklärung sogenannter psychischer Krankheiten. Es finden sich in der sogenannten Dämonenmedizin die ersten Texte über Erkrankungen des Shen. Diese Tradition hat ihre Wurzeln im Schamanismus und wurden mit Akupunktur und Kräutern behandelt..

In modernen Lehrwerken finden sich Störungen des Shen oder Füllezustände des Yang (Leber- und Herzfeuer).

Bei den schwerwiegenden Shen-Störungen werden u.a. zwei Muster unterschieden: „Schleimfeuer quält das Herz“ oder „Schleimkälte benebelt das Herz“.

Das Herz ist bei beiden übervoll, die Kanäle zum Herzen und von diesem weg sind mit Schleim verstopft. Dies trübt die Wahrnehmung. Bei vorhandener Hitze kommt es zu extrovertierten Ausbrüchen, zu Aggressionen, bei vorhandener Kälte eher zu Depressionen.

Um den Schleim zu reduzieren braucht es außer einer entsprechenden Ernährung auch Milz-stärkende Pflanzen. Dies zeigt die Wichtigkeit von einer begleitenden Diätetik bei psychischen Erkrankungen.

In diesem Artikel möchte ich Möglichkeiten aufwerfen, wie Menschen mit „einem vernebeltem Herzen“ mit Akupunktur unterstützt werden können – dabei fokussiere ich mich auf die Vorbeugung und die Nachsorge.

Im akuten Schub sind Menschen kaum für die Akupunktur ansprechbar.

Die Verbindung zwischen Magen und Herz ist immer zu stärken. Dafür bietet sich auch die Behandlung mit Shiatsu an.

Vorbeugung:

  • Herz verankern;
  • Hitze des Herzens klären;
  • Leber-Qi bewegen;
  • Schleim ausleiten und die Mitte stärken;
  • Shenpunkte nadeln;
  • Drachenpunkte behandeln;

Nachsorge:

  • Nebenwirkungen von Psychopharmaka abmildern;
  • Mitte stärken;
  • Shen klären bei Kälte
  • Ling-Punkte nadeln;

Akupunktur und Phythotherapie:

In der Praxis ist individuell zu entscheiden, welchen Fokus Sie als nächstes und/oder in Kombination behandeln. Dabei ist entscheidend, dass es nicht zu Erstverschlimmerungen kommt. Trauma können erst wieder gelöst werden, wenn Shen gut verankert ist. Das Beruhigen und Stärken von Ressourcen steht im Vordergrund. Dabei ist die Begleitung mit Phythotherapie notwendig.

Dieser Text soll Möglichkeiten aufzeigen, beinhaltet aber nicht eine stringente Behandlungsstategie,

Herz verankern:

Herz 5 „Verbindung nach Innen“

führt zu unserem Kontakt zu uns selbst. Es braucht das Gleichgewicht zwischen Offenheit nach Aussen und Verankerung des Selbst im Inneren.Wenn wir tief fühlen können, wer wir sind, sind wir nicht so leicht zu erschüttern. Wenn wir nur bei uns selber sind, sind wir gefangen bis hin zu autistischen Zügen.

Herz 7 „Shenmen“

ist wohl der bekannteste Punkt. Da er so gut mit der Hand zu drücken ist, kann er auch als Akutpunkt eingesetzt werden. Er stärkt bei Schwankungen zwischen Depression und Manie.Shenmen muss offen sein, um nicht zu starr zu werden, darf aber auch nicht alles hineinlassen. Sie können auch den Ohrpunkt Shenmen nehmen bzw. dort einen Ohrsamen setzen.

Herzgespann, Johanniskraut und Efeu festigen unsere Herz-Energie.

Hitze des Herzens klären (alle Punkte sedieren):

Leber 2 „

leitet Leber-Feuer aus, das ansonsten schnell auf das Herz übergreifen kann. Vice versa ist aber auch möglich. So kann aus einer flammenden Liebe auch eine große Wut entstehen. Angefeuert wird es durch Alkohol und scharfes Essen und natürlich Ärger und Wut. Kühlen kann der Löwenzahn.

Herz 7 (s.o.) und Herz 8 „Palast des Shao Yin“

kühlen beide das Feuer, wobei Herz 8 der Feuerpunkt des Herzens ist und somit einen zweifachen Bezug zu Shen hat: Der Kaiser sitzt in seinem Palast.

Ren 15 „Taubenschwanz“

liegt an einer Schlüsselstelle zwischen OEW und MEW. Der Durchgang sollte offen sein, damit sich keine Hitze im OEW stauen kann. Ein Abfluss nach unten kann zwar zu Durchfall und Blasenentzündung führen, würde aber das Herz als Kaiserin entlasten und kühlen.

Du 24 „Empfangshalle des Shen“

beruhigt bei Ängsten und kühlt bei Yang Ming Hitze. Die Yang Ming Schicht ist kompakt und wie das letzte Bollwerk, vor den drei Yin-Schichten. Kann eine Fülle hier nicht abgeleitet werden, erreicht die Hitze eine neue Ebene. Erkennbar an Raserei und lautem Gebaren.

Bl 44 „Halle der Götter“

ist auf der Höhe des Herz-Shu-Punktes und korreliert mit dessen psychischen Aspekt. Er entspannt den Thorax und beruhigt das Herz. Sedierend kann das Feuer entweichen.

Um manische Furcht und Raserei zu beruhigen, gibt es auch die Kombination von Lunge 10, Dünndarm 7 und Dickdarm11.

Perikard 8 „Palast der Mühen“

ist der wichtigste Punkt um Herz-Feuer zu löschen. Er ist auch der Feuerpunkt dieser Leitbahn und ein Dämonenpunkt gelegen an der empfindsamen Stelle in der Handmitte, dem sogenannten Handherzen, das auch bei akutem Trauma gehalten werden kann. Tonisierend bringt er wieder Leuchten in ein verglühendes Feuer. Aber sachte behandeln, wenn das Feuer nicht durch ein starkes Yin verankert ist.

Feuer ableitende Pflanzen sind Lavendel, Löwenzahn, Eisenkraut und Hopfen.

Leber-Qi bewegen:

Leber 3 „Großes Hindurchschießen“

ist ein Standardpunkt, da er nicht nur bewegt, sondern auch das Leber-Yin tonisiert. Er hilft uns zu sehen, was da ist und was es gerade braucht – ist er doch auch ein wichtiger Punkt für eine klare Sicht. Der Punkt ist oft schmerzhaft, ist er doch ein Indikator für Anspannung, aber dann hat er eine wohltuende Wirkung: Das Gestaute darf sich lösen. Ich finde die Wirkung seiner Nadelung vergleichbar mit der Öffnung des Dai Mai.

Milz 10 „Meer des Blutes“

erleichtert die Bewegung im UEW. Energien können zur Erde fließen und sich dort wandeln, Verbindung herstellen. Die Energien können dann gerade im UEW, in dem oft Traumen verortet sind, wieder fließen. Deutlich wird seine starke Wirkung beispielsweise bei Menstruationskrämpfen. Vorsicht sollte geboten seimn, wenn eine Person instabil ist, damit nicht zu viele schmerzhafte Erinnerungen aufkommen.

Blase 17 „Transportpunkt zum Zwerchfell“

öffnet das Diaphragma und gibt dem Herzen wieder mehr Bewegungsfreiraum. An der Atmung können wir oft Anspannung erkennen und über die Atmung auch lösen. Was wir über das Gespräch nicht erreichen an Entspannung, kann manchmal eher über das Leiten zum tiefen Atmen begleitet werden. Flaches Atmen hat aber auch eine Schutzfunktion (weniger spüren). Nicht zufällig wird in der Psychatrie so viel geraucht.

Das Leber-Qi braucht Bewegung, Dehnung, Visionen und Ausdrucksmöglichkeiten. Menschen in der Übererregung brauchen Halt. Die freigesetzte Energie, das ungezügelte Yang braucht Halt. Die Prävention ist so wichtig, das frühzeitige Verabreichen starker Yin-Tonika wie beispielsweise die Austernschale (Ostrea Concha) oder der vielblütige Knöterichstengel (Polygoni multiflori caulis).

Schleim ausleiten und die Mitte stärken:

In Kombination werden Magen 40, Millz 6 und Ren 9 empfohlen, um Schleim zu klären (Maciocia 2013:496).

Ren 12 „Mittlerer Magenabschnitt“

stärkt die Erd-Energie und die Miutte, indem er das Gefühl verstärkt, was wir zu uns nehmen wollen. Er wirkt an den Wurzeln von Essstörungen. Er bringt uns zu unseren Bedürfnissen zurück.

Perikard 5 „Der Vermittler“

ist ein Dämonenpunkt und der Metallpunkt. Er vermag Obsesionen zu klären und öffnet für den Zugang zu Shen.

Shenpunkte:

Die Shenpunkte stellen Kontakt zum Shen her. Nach A. Noll gehören folgende Punkte dazu: Herz 7 (s.o.), Ni 23, Ni 25, Bl 44 (s.o.), Gb 13, Du 6, Du 11, Du 23, Du 24 (s.o.) Ren 8 (nicht zu nadeln) und Ren 15 (s.o.).

Niere 23 „Altar des Shen“ und Niere 25 „Shen-Speicher“

gehören zusammen mit Niere 24 (s.u.) zu der Trias der starken spirituellen Wasserpunkte. Hier entsteht Verbindung zur Herz-Nieren-Achse. An Niere 23 können wir erfahren, wer wir sind.

Gallenblase 13 „Wurzel im Geist“

beruhigt die Hektik im Kopf, damit sich Shen sammeln kann.Bei Migräne ist es oft ein markant zu spürender Punkt, der dann in Ruhe gelassen werden will. Hier kann es sich stauen.

Du Mai 23 „Hof des Shen“

ist ein Dämonenpunkt mit Bezügen zum Nervensystem. Auch hier darf ein sogenannter „Gui“ entweichen, vorallem bei einer Affinität zur Gallenblase (im Jahr der Ratte Geborene).

Drachenpunkte:

An dieser Stelle möchte ich auf C.Graf aus Basel verweisen, da ich mich ansonsten mit fremden Federn schmücken würde. Er hat viel zu den Drachenpuntken nach Worsley gearbeitet und mit diesen behandelt.

Nebenwirkungen von Psychopharmaka abmildern:

Empfehlen möchte ich das Buch von S. Ritter „Arzneiwirkungen aus Sicht der Chinesischen Medizin“, in dem verschiedene Psychopharmaka und auch Antiepileptika beschrieben sind. Ihre Wirlkungsweise wird erklärt und die Nebenwirkungen aus schulmedizinischer und aus Sicht der Chinesischen Medizin beschrieben. Daraus ergeben sich dann die passenden Behandlungsstrategien.

Psychopharmaka sind oft stark kühlend, schwächen das Nieren-Yang.

Shen klären bei Kälte:

Schleim-Kälte benebelt das Herz kann sich als Zustand auch nach Psychopharmaka einstellen. Nun braucht es weitere Klärung und das vermeiden von Zucker und Milchprodukten. Aromatische, leicht warme (nicht heiße!) Kräuter wie Alant, Majoran, Schlüsselblume,Kalmus, Kardamon, Thymian und Meisterwurz lösen den Schleim.

Du Mai 26 „Mitte des Menschen“

ist ein weiterer Dämonenpunkt, besonders für im Tigerjahr Geborene. Er ist auch bei psychotischen Symptomen angesagt. Als Akutpunkt bei Bewußtseinstrübungen und epileptischen Anfällen zieht er in die Realität zurück.

Ex-HN1 in Kombination mit Du 20 befreit die Sinne.

Kombination wieder aus Ren12, Magen 40, Bl 20 und Ma 36 zum Befreien von Schleim oder die bereits beschrieben Kombination.lösen Schleim.

Ling-Punkte:

Eine psychische Krankheit wirft aus dem Alltag heraus. Danach braucht es neben Alltagsstrategien auch wieder Hoffnung und Kreativität, um sich selber zu finden. Mit Hilfe der Ling-Punkte können wir unser persönliches Potential (wieder-)finden und besser verwirklichen.

Durch Ling können wir Shen herbeilocken.

Herz 2 „Blau-grüner Geist“

ist die Idee, Raum zu schaffen, dass Shen wieder erstarken kann – dafür braucht es Leere und Verbindung. Herz 1 setzt uns wieder auf unseren Thron – ein sehr kraftvoller Punkt. Auch Herz 2 bedarf der Vorsicht bei der Nadelung.

Herz 4 „Weg des Ling“

ist als Metallpunkt prädestiniert für Strukturierung in Herzensangelegenheiten. Rituale und Regelmäßigkeiten geben Halt und können uns im Alltag nach psychischen Krisen unterstützen. Das Metall im Feuer soll ausgleichen, aber nicht panzern. Ist das Feuer zu stark, schmilzt das Metall und die Energie zerstreut sich. Je nach Ausgangslage ist der Punkt zu sedieren oder zu tonisieren.

Niere 24 „Grabstätte des Ling“

ist ein schöner Ort, um die Ahnen zu ehren und sich an die Kraft der Rituale zu erinnern. Die Herz-Nieren-Achse kann hier angesprochen werden und in dieser himmlischen Verbindung kann Neues entstehen angebunden an Altes. Shen kann aufgenommen werden und in Folge durch Ni 25 „Shen Speicher“ aufgehoben werden.

Du 10 „Aussichtsturm des Ling“

liegt unterhalb von Blase 15, dem Herz-Shu-Punkt. Er klärt Hitze und entgiftet. Wie der Name sagt, soll die Fähigkeit zum Überblick über das Ganze und der Lösung aus der Ichhaftigkeit gestärkt werden. In psychischen Krisen sind Menschen oft sehr auf sich fixiert. Um wieder in der Gesellschaft anzukommen, braucht es die Kompetenz, andere zu sehen und zu verstehen und sich auch abgrenzen zu können. Andere verlieren sich und brauchen die Selbstfindung. Dafür würde ich eher Niere 24 empfehlen.

San Jiao 11 „Kühl-klarer Abgrund“

klärt Feuchte Hitze und wird für Schulterschmerzen eingesetzt. Er bringt die Fähigkeit zur Handlung zurück. Hier werden Temperaturen ebenso wie Gefühle geregelt und im Körper gleichmäßiger verteilt.

Gallenblase 18 „Empfänger des Geistes“

liegt lateral von Du 20 und bei der Nadelung kann das Gefühl der Öffnung nach oben sich einstellen..Dabei senkt er auch das Lungen-Qi ab und verhilft so zum Durchatmen bei Übererregung.Shen kann vom Himmel nach unten mit Anschluss an die Körperseele Po fließen und in Handlung übergehen.

Ausblick:

Ich erachte es für notwendig, dass in diesem medizinischen Bereich interdisziplinärer geforscht und die Menschen versorgt werden können. Die Methoden der TCM und eine individuell zusammengestellte ausgleichende Ernährungsweise eignen sich hervorragend zur Abmilderung der Nebenwirkungen von Psychopharmaka.

Auch in der Nachsorge könnten Psychotherapie und TCM Hand in Hand zusammen gehen. Ein bahnbrechendes Buch zur Verbindung von Darm und Gehirn hat G.Hasler (2019) geschrieben. So ist manches vernebelte Herz auch durch die Behandlung des Darms und eine das Darmmilieu unterstützende Ernährung zu klären..

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Geduld und eine Portion auch Entdecker*Innenfreude!

Literatur:

Hasler,G. (2019): Die Darm-Hirn-Connection. Verlag Schattauer.

Lorenzen,U./ Noll, A.(1998): Die Wandlungsphasen der Traditionellen Chinesischen Medizin. Band 4. Wandlungsphase Feuer. Verlag Müller& Steinicke. München.

Maciocia,G.(2013): Die Psyche in der chinesischen Medizin.Urban&Fischer. München.

Müller, J.V.(2004): Den Geist verwurzeln. Bd.1. Müller&Steinicke. München.

Shen hat seinen Sitz im Herzen – ist der Herzensaspekt per se. Shen ist nicht immer klar. In der westlichen Medizin sprechen wir dann von Benommenheit bis hin zu psychischen Erkrankungen.

In der TCM gibt es mehrere Ansätze zur Erklärung sogenannter psychischer Krankheiten. Es finden sich in der sogenannten Dämonenmedizin die ersten Texte über Erkrankungen des Shen. Diese Tradition hat ihre Wurzeln im Schamanismus und wurden mit Akupunktur und Kräutern behandelt..

In modernen Lehrwerken finden sich Störungen des Shen oder Füllezustände des Yang (Leber- und Herzfeuer).

Bei den schwerwiegenden Shen-Störungen werden u.a. zwei Muster unterschieden: „Schleimfeuer quält das Herz“ oder „Schleimkälte benebelt das Herz“.

Das Herz ist bei beiden übervoll, die Kanäle zum Herzen und von diesem weg sind mit Schleim verstopft. Dies trübt die Wahrnehmung. Bei vorhandener Hitze kommt es zu extrovertierten Ausbrüchen, zu Aggressionen, bei vorhandener Kälte eher zu Depressionen.

Um den Schleim zu reduzieren braucht es außer einer entsprechenden Ernährung auch Milz-stärkende Pflanzen. Dies zeigt die Wichtigkeit von einer begleitenden Diätetik bei psychischen Erkrankungen.

In diesem Artikel möchte ich Möglichkeiten aufwerfen, wie Menschen mit „einem vernebeltem Herzen“ mit Akupunktur unterstützt werden können – dabei fokussiere ich mich auf die Vorbeugung und die Nachsorge.

Im akuten Schub sind Menschen kaum für die Akupunktur ansprechbar.

Die Verbindung zwischen Magen und Herz ist immer zu stärken. Dafür bietet sich auch die Behandlung mit Shiatsu an.

Vorbeugung:

  • Herz verankern;
  • Hitze des Herzens klären;
  • Leber-Qi bewegen;
  • Schleim ausleiten und die Mitte stärken;
  • Shenpunkte nadeln;
  • Drachenpunkte behandeln;

Nachsorge:

  • Nebenwirkungen von Psychopharmaka abmildern;
  • Mitte stärken;
  • Shen klären bei Kälte
  • Ling-Punkte nadeln;

Akupunktur und Phythotherapie:

In der Praxis ist individuell zu entscheiden, welchen Fokus Sie als nächstes und/oder in Kombination behandeln. Dabei ist entscheidend, dass es nicht zu Erstverschlimmerungen kommt. Trauma können erst wieder gelöst werden, wenn Shen gut verankert ist. Das Beruhigen und Stärken von Ressourcen steht im Vordergrund. Dabei ist die Begleitung mit Phythotherapie notwendig.

Dieser Text soll Möglichkeiten aufzeigen, beinhaltet aber nicht eine stringente Behandlungsstategie,

Herz verankern:

Herz 5 „Verbindung nach Innen“

führt zu unserem Kontakt zu uns selbst. Es braucht das Gleichgewicht zwischen Offenheit nach Aussen und Verankerung des Selbst im Inneren.Wenn wir tief fühlen können, wer wir sind, sind wir nicht so leicht zu erschüttern. Wenn wir nur bei uns selber sind, sind wir gefangen bis hin zu autistischen Zügen.

Herz 7 „Shenmen“

ist wohl der bekannteste Punkt. Da er so gut mit der Hand zu drücken ist, kann er auch als Akutpunkt eingesetzt werden. Er stärkt bei Schwankungen zwischen Depression und Manie.Shenmen muss offen sein, um nicht zu starr zu werden, darf aber auch nicht alles hineinlassen. Sie können auch den Ohrpunkt Shenmen nehmen bzw. dort einen Ohrsamen setzen.

Herzgespann, Johanniskraut und Efeu festigen unsere Herz-Energie.

Hitze des Herzens klären (alle Punkte sedieren):

Leber 2 „

leitet Leber-Feuer aus, das ansonsten schnell auf das Herz übergreifen kann. Vice versa ist aber auch möglich. So kann aus einer flammenden Liebe auch eine große Wut entstehen. Angefeuert wird es durch Alkohol und scharfes Essen und natürlich Ärger und Wut. Kühlen kann der Löwenzahn.

Herz 7 (s.o.) und Herz 8 „Palast des Shao Yin“

kühlen beide das Feuer, wobei Herz 8 der Feuerpunkt des Herzens ist und somit einen zweifachen Bezug zu Shen hat: Der Kaiser sitzt in seinem Palast.

Ren 15 „Taubenschwanz“

liegt an einer Schlüsselstelle zwischen OEW und MEW. Der Durchgang sollte offen sein, damit sich keine Hitze im OEW stauen kann. Ein Abfluss nach unten kann zwar zu Durchfall und Blasenentzündung führen, würde aber das Herz als Kaiserin entlasten und kühlen.

Du 24 „Empfangshalle des Shen“

beruhigt bei Ängsten und kühlt bei Yang Ming Hitze. Die Yang Ming Schicht ist kompakt und wie das letzte Bollwerk, vor den drei Yin-Schichten. Kann eine Fülle hier nicht abgeleitet werden, erreicht die Hitze eine neue Ebene. Erkennbar an Raserei und lautem Gebaren.

Bl 44 „Halle der Götter“

ist auf der Höhe des Herz-Shu-Punktes und korreliert mit dessen psychischen Aspekt. Er entspannt den Thorax und beruhigt das Herz. Sedierend kann das Feuer entweichen.

Um manische Furcht und Raserei zu beruhigen, gibt es auch die Kombination von Lunge 10, Dünndarm 7 und Dickdarm11.

Perikard 8 „Palast der Mühen“

ist der wichtigste Punkt um Herz-Feuer zu löschen. Er ist auch der Feuerpunkt dieser Leitbahn und ein Dämonenpunkt gelegen an der empfindsamen Stelle in der Handmitte, dem sogenannten Handherzen, das auch bei akutem Trauma gehalten werden kann. Tonisierend bringt er wieder Leuchten in ein verglühendes Feuer. Aber sachte behandeln, wenn das Feuer nicht durch ein starkes Yin verankert ist.

Feuer ableitende Pflanzen sind Lavendel, Löwenzahn, Eisenkraut und Hopfen.

Leber-Qi bewegen:

Leber 3 „Großes Hindurchschießen“

ist ein Standardpunkt, da er nicht nur bewegt, sondern auch das Leber-Yin tonisiert. Er hilft uns zu sehen, was da ist und was es gerade braucht – ist er doch auch ein wichtiger Punkt für eine klare Sicht. Der Punkt ist oft schmerzhaft, ist er doch ein Indikator für Anspannung, aber dann hat er eine wohltuende Wirkung: Das Gestaute darf sich lösen. Ich finde die Wirkung seiner Nadelung vergleichbar mit der Öffnung des Dai Mai.

Milz 10 „Meer des Blutes“

erleichtert die Bewegung im UEW. Energien können zur Erde fließen und sich dort wandeln, Verbindung herstellen. Die Energien können dann gerade im UEW, in dem oft Traumen verortet sind, wieder fließen. Deutlich wird seine starke Wirkung beispielsweise bei Menstruationskrämpfen. Vorsicht sollte geboten seimn, wenn eine Person instabil ist, damit nicht zu viele schmerzhafte Erinnerungen aufkommen.

Blase 17 „Transportpunkt zum Zwerchfell“

öffnet das Diaphragma und gibt dem Herzen wieder mehr Bewegungsfreiraum. An der Atmung können wir oft Anspannung erkennen und über die Atmung auch lösen. Was wir über das Gespräch nicht erreichen an Entspannung, kann manchmal eher über das Leiten zum tiefen Atmen begleitet werden. Flaches Atmen hat aber auch eine Schutzfunktion (weniger spüren). Nicht zufällig wird in der Psychatrie so viel geraucht.

Das Leber-Qi braucht Bewegung, Dehnung, Visionen und Ausdrucksmöglichkeiten. Menschen in der Übererregung brauchen Halt. Die freigesetzte Energie, das ungezügelte Yang braucht Halt. Die Prävention ist so wichtig, das frühzeitige Verabreichen starker Yin-Tonika wie beispielsweise die Austernschale (Ostrea Concha) oder der vielblütige Knöterichstengel (Polygoni multiflori caulis).

Schleim ausleiten und die Mitte stärken:

In Kombination werden Magen 40, Millz 6 und Ren 9 empfohlen, um Schleim zu klären (Maciocia 2013:496).

Ren 12 „Mittlerer Magenabschnitt“

stärkt die Erd-Energie und die Miutte, indem er das Gefühl verstärkt, was wir zu uns nehmen wollen. Er wirkt an den Wurzeln von Essstörungen. Er bringt uns zu unseren Bedürfnissen zurück.

Perikard 5 „Der Vermittler“

ist ein Dämonenpunkt und der Metallpunkt. Er vermag Obsesionen zu klären und öffnet für den Zugang zu Shen.

Shenpunkte:

Die Shenpunkte stellen Kontakt zum Shen her. Nach A. Noll gehören folgende Punkte dazu: Herz 7 (s.o.), Ni 23, Ni 25, Bl 44 (s.o.), Gb 13, Du 6, Du 11, Du 23, Du 24 (s.o.) Ren 8 (nicht zu nadeln) und Ren 15 (s.o.).

Niere 23 „Altar des Shen“ und Niere 25 „Shen-Speicher“

gehören zusammen mit Niere 24 (s.u.) zu der Trias der starken spirituellen Wasserpunkte. Hier entsteht Verbindung zur Herz-Nieren-Achse. An Niere 23 können wir erfahren, wer wir sind.

Gallenblase 13 „Wurzel im Geist“

beruhigt die Hektik im Kopf, damit sich Shen sammeln kann.Bei Migräne ist es oft ein markant zu spürender Punkt, der dann in Ruhe gelassen werden will. Hier kann es sich stauen.

Du Mai 23 „Hof des Shen“

ist ein Dämonenpunkt mit Bezügen zum Nervensystem. Auch hier darf ein sogenannter „Gui“ entweichen, vorallem bei einer Affinität zur Gallenblase (im Jahr der Ratte Geborene).

Drachenpunkte:

An dieser Stelle möchte ich auf C.Graf aus Basel verweisen, da ich mich ansonsten mit fremden Federn schmücken würde. Er hat viel zu den Drachenpuntken nach Worsley gearbeitet und mit diesen behandelt.

Nebenwirkungen von Psychopharmaka abmildern:

Empfehlen möchte ich das Buch von S. Ritter „Arzneiwirkungen aus Sicht der Chinesischen Medizin“, in dem verschiedene Psychopharmaka und auch Antiepileptika beschrieben sind. Ihre Wirlkungsweise wird erklärt und die Nebenwirkungen aus schulmedizinischer und aus Sicht der Chinesischen Medizin beschrieben. Daraus ergeben sich dann die passenden Behandlungsstrategien.

Psychopharmaka sind oft stark kühlend, schwächen das Nieren-Yang.

Shen klären bei Kälte:

Schleim-Kälte benebelt das Herz kann sich als Zustand auch nach Psychopharmaka einstellen. Nun braucht es weitere Klärung und das vermeiden von Zucker und Milchprodukten. Aromatische, leicht warme (nicht heiße!) Kräuter wie Alant, Majoran, Schlüsselblume,Kalmus, Kardamon, Thymian und Meisterwurz lösen den Schleim.

Du Mai 26 „Mitte des Menschen“

ist ein weiterer Dämonenpunkt, besonders für im Tigerjahr Geborene. Er ist auch bei psychotischen Symptomen angesagt. Als Akutpunkt bei Bewußtseinstrübungen und epileptischen Anfällen zieht er in die Realität zurück.

Ex-HN1 in Kombination mit Du 20 befreit die Sinne.

Kombination wieder aus Ren12, Magen 40, Bl 20 und Ma 36 zum Befreien von Schleim oder die bereits beschrieben Kombination.lösen Schleim.

Ling-Punkte:

Eine psychische Krankheit wirft aus dem Alltag heraus. Danach braucht es neben Alltagsstrategien auch wieder Hoffnung und Kreativität, um sich selber zu finden. Mit Hilfe der Ling-Punkte können wir unser persönliches Potential (wieder-)finden und besser verwirklichen.

Durch Ling können wir Shen herbeilocken.

Herz 2 „Blau-grüner Geist“

ist die Idee, Raum zu schaffen, dass Shen wieder erstarken kann – dafür braucht es Leere und Verbindung. Herz 1 setzt uns wieder auf unseren Thron – ein sehr kraftvoller Punkt. Auch Herz 2 bedarf der Vorsicht bei der Nadelung.

Herz 4 „Weg des Ling“

ist als Metallpunkt prädestiniert für Strukturierung in Herzensangelegenheiten. Rituale und Regelmäßigkeiten geben Halt und können uns im Alltag nach psychischen Krisen unterstützen. Das Metall im Feuer soll ausgleichen, aber nicht panzern. Ist das Feuer zu stark, schmilzt das Metall und die Energie zerstreut sich. Je nach Ausgangslage ist der Punkt zu sedieren oder zu tonisieren.

Niere 24 „Grabstätte des Ling“

ist ein schöner Ort, um die Ahnen zu ehren und sich an die Kraft der Rituale zu erinnern. Die Herz-Nieren-Achse kann hier angesprochen werden und in dieser himmlischen Verbindung kann Neues entstehen angebunden an Altes. Shen kann aufgenommen werden und in Folge durch Ni 25 „Shen Speicher“ aufgehoben werden.

Du 10 „Aussichtsturm des Ling“

liegt unterhalb von Blase 15, dem Herz-Shu-Punkt. Er klärt Hitze und entgiftet. Wie der Name sagt, soll die Fähigkeit zum Überblick über das Ganze und der Lösung aus der Ichhaftigkeit gestärkt werden. In psychischen Krisen sind Menschen oft sehr auf sich fixiert. Um wieder in der Gesellschaft anzukommen, braucht es die Kompetenz, andere zu sehen und zu verstehen und sich auch abgrenzen zu können. Andere verlieren sich und brauchen die Selbstfindung. Dafür würde ich eher Niere 24 empfehlen.

San Jiao 11 „Kühl-klarer Abgrund“

klärt Feuchte Hitze und wird für Schulterschmerzen eingesetzt. Er bringt die Fähigkeit zur Handlung zurück. Hier werden Temperaturen ebenso wie Gefühle geregelt und im Körper gleichmäßiger verteilt.

Gallenblase 18 „Empfänger des Geistes“

liegt lateral von Du 20 und bei der Nadelung kann das Gefühl der Öffnung nach oben sich einstellen..Dabei senkt er auch das Lungen-Qi ab und verhilft so zum Durchatmen bei Übererregung.Shen kann vom Himmel nach unten mit Anschluss an die Körperseele Po fließen und in Handlung übergehen.

Ausblick:

Ich erachte es für notwendig, dass in diesem medizinischen Bereich interdisziplinärer geforscht und die Menschen versorgt werden können. Die Methoden der TCM und eine individuell zusammengestellte ausgleichende Ernährungsweise eignen sich hervorragend zur Abmilderung der Nebenwirkungen von Psychopharmaka.

Auch in der Nachsorge könnten Psychotherapie und TCM Hand in Hand zusammen gehen. Ein bahnbrechendes Buch zur Verbindung von Darm und Gehirn hat G.Hasler (2019) geschrieben. So ist manches vernebelte Herz auch durch die Behandlung des Darms und eine das Darmmilieu unterstützende Ernährung zu klären..

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Geduld und eine Portion auch Entdecker*Innenfreude!

Literatur:

Hasler,G. (2019): Die Darm-Hirn-Connection. Verlag Schattauer.

Lorenzen,U./ Noll, A.(1998): Die Wandlungsphasen der Traditionellen Chinesischen Medizin. Band 4. Wandlungsphase Feuer. Verlag Müller& Steinicke. München.

Maciocia,G.(2013): Die Psyche in der chinesischen Medizin.Urban&Fischer. München.

Müller, J.V.(2004): Den Geist verwurzeln. Bd.1. Müller&Steinicke. München.

Ritter,S. (2016): Arzneimittelwirkungen aus Sicht der Chinesischen Medizin. Verlag Müller& Steinicke. München.

Ritter,S. (2016): Arzneimittelwirkungen aus Sicht der Chinesischen Medizin. Verlag Müller& Steinicke. München.