Die medizinische Aufteilung in die angeblichen zwei Geschlechter ist zum Glück vielerorts in Frage gestellt worden. So ist die Frage des Haarwuchses am Kopf durchaus kein sogenanntes Männerproblem mehr.
Zu aller erst ist festzustellen, dass es bei Menschen sehr unterschiedliche Haardichte gibt. Es gibt kerngesunde Menschen mit Glatze und sehr kranke Menschen mit sehr vielen Haaren. Die sich wandelnden Schönheitsvorstellungen sind mit keinem Kraut der Welt behandelbar. Dort ein Haar zu viel, dort zu wenig – immer soll es etwas auszusetzen geben. So bleiben wir beschäftigt mit Selbstkritik und werden davon abgehalten, uns unserer individuellen Schönheit zuzuwenden. Unvergleichlich dieses lange Haar mitten am Kinn meiner Freundin!
Einige finden nichts attraktiver als eine Glatze. Andere hätten gerne mehr Haare auf dem Kopf.
Für diese möchte ich Konzepte zum Komplex „Haarausfall“ aus Sicht der Chinesischen Medizin darstellen.
Unterschieden wird zwischen dem plötzlichen Haarverlust, dem kreisrunden Haarausfall genannt Alopezie und dem allmählichen Haarverlust.
Der allmähliche Haarverlust beinhaltet auch das verlangsamte Nachwachsen von Haaren und das Auftreten von auffallend dünnen Haaren. Der Zustand der Haare wird gemäß der TCM maßgeblich von der Essenz der Nieren und dem Leber-Blut bestimmt. Ein Mangel kann durch nährende Pflanzen verbessert werden.
Schon meine Oma pflegte folgenden Geheimtipp zu streuen: zwei Löffel Hirse am Tag gut kauen und die Haare werden nicht dünner! Nun heute ist bekannt, dass Hirse gekocht werden muss, um die Mineralstoffe zu lösen und eiweißschädigende Enzyme zu bändigen. Die Hirse enthält viel Silizium und unterstützt dadurch den Aufbau von Haaren und Bindegewebe und festigt die Nägel. Hirse stärkt die Energien von Niere und Milz und glänzt noch durch einen weiteren Effekt: Sie trocknet sogenannte stagnierende Feuchtigkeit, die eingelagert in die Hautschicht die Nährstoffversorgung von Haut und Haar behindern kann. Dies ist ein Konzept aus der Chinesischen Medizin, das aber erklären kann, warum auch adipöse Menschen eine Mangelversorgung der Haare aufweisen können. Zucker verstärkt das Feuchteproblem und ist leider eine weitere Ursache von schütterem Haarwuchs.
Haarausfall ist oft ein Indikator für Stress – Stress verbraucht Mineralien und Eisen. In der TCM wird dann oft ein Leber-Blut-Mangel diagnostiziert. Auch chronische Erkrankungen, Stillen und Schwangerschaft können dazu führen. Da können blutbildende Pflanzen wie Brennnesselsamen, Brunnenkresse und viel gekochter Nahrung mit Karotten helfen. Auch auf dieser Ebene unterstützt die ungeschälte Braunhirse mit ihrem Gehalt an Fluor, Vitamin B6, Magnesium, Phospor, Kalium. Schwefel und vor allem Eisen!
Wenn uns etwas an die Nieren geht – Trauer, Überarbeitung, Trennung, Trauma, Krankheiten und Krieg – wird die Nieren-Essenz stark angegriffen. Die Haare werden grau oder fallen aus. Dann können die oben genannten blutbildenden Pflanzen, außerdem Hafer, Goldrute und Rosmarin unterstützen.
Es gibt auch den Fall, dass Blut-Hitze die Haarfollikel austrocknet und deshalb die Haare ausfallen. Das Blut hat in den Konzepten der TCM die Funktionen des Nährens, Wärmens und Halten des Geistes inne. Dies bedeutet, dass das Blut auch in Kälte oder Hitze geraten kann. Ein starker Feuer-Zustand wie Leber-Hitze kann zur sogenannten Blut-Hitze führen. Aus einem akuten Zustand ist ein chronisches Geschehen geworden mit starken Hitzegefühlen, Blutungen, großer Unruhe trockenem Mund und Durst. Nun braucht es kühlende und Yin-aufbauende Pflanzen wie Passionsblume, Löwenzahn und Soja.
Die Alopezie kann auf drei Ursachen zurückgeführt werden, die natürlich auch in Kombination auftreten können. Eine Ursache stellt die oben beschriebene Blut-Hitze dar.
Als weitere Syndrombilder wurden „Innerer Wind“ und „Blutstase“ ausgemacht. Beide Geschehen haben einen längere Vorgeschichte von Blutmangel (s.o.) und /oder stagnierendem Energiefluss. Wegen der Komplexität des Geschehens werde ich sie an dieser Stelle nur anreißen. In meinem Buch finden sich längere Artikel dazu.
Das Bild „Innerer Wind“ erkennt man an eventuellen Schwindelgefühlen, Kopfschmerzen und Neigung zu Krämpfen. Er spricht gut auf Weinraute (dezent dosiert, da leicht giftig) an. Blutstase kann mit schmerzhafter Regelblutung, stechenden, fixierten Schmerzen und einer violett erscheinenden Zunge einhergehen. Akupunktur kann sehr unterstützend sein, da der Wind ausgeleitet und die Energien dadurch bewegt werden können. Begleitend braucht es auch blutaufbauende Ernährung.
In der Literatur über chinesische Hausmittel findet sich die äußerliche Behandlung mit frischem Ingwer: zwei- bis dreimal täglich sollen die betroffenen Stellen über mehrere Monate hinweg eingerieben werden bis die Haut gerötet ist. Ich habe dies in dem Buch von Susanne Hornfeck und Nelly Ma „Chinesische Hausmittel“ entdeckt, konnte es aber noch nicht ausprobieren. Ebenso findet sich dort das Betupfen mit Ingwer- oder Thujatinktur.
Nun ist es schwer, sich von bestehenden Schönheitsidealen nicht beeinflussen zu lassen – aber eben deshalb um so wichtiger: Schön sind wir sowieso! Nehmen wir die Anzahl unserer Haare als einen Weg, dass unser Körper uns erzählt, was gerade los ist – Welcome.