Akupunktur bei entzündlichen Darmerkrankungen

Artikel geschrieben für das YinYang TCM Fachmagazin 3/2021 vom TCM Fachverband Schweiz

Das Denken an unseren Darm wird oft vernachlässigt – ist der Gang auf das stille Örtchen
doch sehr privat und für manche gar nicht angenehm. Wohl denkt unser Darm aber mit und bestimmt unsere psychische Verfassung. Wenn es zu andauernden Beschwerden kommt, merken wir wie elementar dieses Organ unseren Alltag bestimmen kann. Dies ver-
deutlichen die Bücher zur Darm-Hirn-Connection (Hasler (2019) und auch Enders, G..


Bei den entzündlichen Darmerkrankungen kann es sich um

verschiedene ursächliche Syndrombilder und deren Kombinationen handeln. Es findet sich fast immer eine begleitende oder vorherrschende Stagnation und eine Schwäche des Milz-Qi.
In die Behandlung ist immer eine Tonisierung der Milz zur verbesserten Transformation von Nahrung und zur Vermeidung
von Feuchtigkeit miteinzubeziehen.

Was vor dem Darm schon bearbeitet wurde, stellt eine große Entlastung dar. Und Verdauen beginnt mit dem Anblicken (oder Betasten) und Aussuchen der Nahrung, der nötigen Ruhe und warmen Füssen…
Verdauungsbeschwerden brauchen immer eine begleitende Beratung zur Ernährung, Phytotherapie und zum Lebensstil. Dieser
Artikel fokussiert sich jedoch aufgrund der Länge nur auf die Akupunktur.
Zur Regulation und Stärkung der Milz-Energie eignen sich folgende Akupunkturpunkte:


Milz tonisieren


Ren 12 «Mittlerer Magenabschnitt»

hat als Jie-Knoten-Punkt der Tai Yin soviel damit zu tun, was wir uns «einverleiben» oder eben auch nicht. Hier kann das Qi und das Yang der Mitte mobilisiert werden. Ein wunderbarer Punkt bei Essstörungen aller Art und klärend für die Frage von (Sehn)süchten und Bedürfnissen. Was brauche
ich? Wann kompensiere ich?

Blase 20«Shu-Punkt der Milz»

tonisiert die Milzleitbahn. Sind die seelischen Aspekte vordergründig, eignet sich auch Blase 49 «Yi Hütte», um vom Grübeln und sich Sorgen wieder in fokussiertes Handeln zu kommen (aus einer starken Erde wächst ein starkes Holz). Die Erde muss auch so stark sein, dass sie nicht durch ein
zu starkes Holz verwurzelt und ausgelaugt wird. Milz 6 (s.u.) kann so auch die Leber besänftigen.

Milz6«Kreuzung der drei(Bein-)Yin“
tonisiert nicht nur die drei Yin-Energien des Beines, sondern vermag sedierend genadelt auch Feuchtigkeit gerade im UEW zu klären. In der Schwangerschaft ist er wegen seiner bewegenden Wirkung kontraindiziert!


Magen36«Bein Drei Meilen»
ist wie Milz 6 ein so wirkungsvoller Punkt, dass er fast in jedem Artikel vorkommt. Nicht umsonst ist er einer der «Himmlischen Punkte». Er tonisiert unsere ErdEnergie und verleiht die Kraft mit beiden Beinen im Leben zu stehen und nicht nur Nahrung zu bearbeiten. Ein schwacher Ma-gen kann keinen Appetit haben oder ständig nach Nahrung rufen (Magen-Yin-Mangel). Der Appetit hat auch mit dem weiteren Geschehen im Darm zu tun: Verstopfung verursacht Völlegefühle und Missempfinden, von schlechter Laune ganz zu schweigen. Wenn Durchfälle uns ermüden, fühlen wir
uns ausgelaugt. Wenn die Nahrungsaufnahme von Krämpfen gefolgt wird, wird Essen ein unentspanntes Thema. Mangeler-nährung schwächt das Milz-Qi und führt zu Heißgelüsten auf Süß. Durch seine tonisierende Kraft bringt Magen 36 auch wieder Schwung in eine Nahrungsstagnation.


Ausgehend vom Symptom des Bauchschmerzes im UEW finden sich bei Maciocia (1997) sechs Muster, die in der Praxis auch
kombiniert auftreten können:


Fünf Fülle-Muster:
– Nahrungsstagnation;
– Qi-Stagnation;
– Blut-Stase;
– Nässe-Hitze im Darm:
– Kälte im Darm;


und als Leeremuster:
– Qi-Mangel und Leere-Kälte im Abdomen;


Sie finden nun zu den einzelnen Mustern passende Punkte. Bei anderen Mustern beschriebene Punkte haben einen Verweis.


Stagnation lösen


Folgende Punkte bewähren sich bei Stagnationen und Blutstase, wobei letztere im Beschwerdebild Resistenzen und stechende lokalisierte Schmerzen beinhalten kann.


Nahrungsstagnation
gibt es nicht nur häufig bei Kindern, die anstatt Zuspruch mit Süßigkeiten vollgestopft werden. Bei Menschen, die bei Stress und
überhaupt zu viel essen, bleibt die Nahrung auch oft zwar nicht im Halse, aber in der weiteren Verdauung stecken und verursacht üblen Mundgeruch. Die Symptome verschlechtern sich bei der weiteren Nahrungsaufnahme.

Punkte: Ren 6, Ren 10, Gb
34, Milz 16, Ma 21, Ma 27, Ma 36 (s.o.), Milz
15 (s.u.)


Ren6«Meer des Qi»
bleibt einer meiner Lieblingspunkte, um Energien im UEW zu bewegen und an der Wurzel zu behandeln. Dieser Punkt kann
in Kombination mit Gallenblase 34 «Quelle am Yang-Hügel» genadelt werden, um noch mehr Bewegung in das Geschehen zu
bringen. Denken Sie daran, dass dann auch Gefühle und alte Erinnerungen frei werden können und vielleicht ein Ventil brauchen.
GB 34 ist in der Nan-Song-Dynastie zu einem Dämonenpunkt geworden. Das Veilchen und die Melisse können zur Seite stehen und emotionale Spitzen abfedern.


Ren10«Unterer Magenabschnitt»
öffnet den Magenausgang, wenn etwas zu schwerverdaulich (ob Essen oder andere Eindrücke) ist. So wird die Verdauung ange-
kurbelt und die Nahrung weiterbewegt.

Milz16«Trauer im Bauch»
kann trösten, wenn Verluste nicht verdaut wurden. Hier kreuzt der Yin Wei Mai und Erde verbindet sich mit Herzensaspekten (siehe
Milz 15). Hier kann Ruhe einkehren und ein
Gefühlstumult sich wieder lösen. Auch indiziert bei blutigen Durchfällen und Kälte.

Magen21«Balkentor»
löst bei Kälte, Hitze und bei Stagnation. Wie ein Tor reguliert er die Passage der Verdauung zum Darm, gerade auch wenn oberhalb
Blockaden behindern.


Magen27«Groß und Mächtig»
unterstützt beim aufgeblähten Bauch und löst Verknotungen bei der Verdauung und der Stimmung. Beim Essen aus Frustration,
negativen Gefühlen und depressiver Verstimmung bringt er Bewegung und leitet nach unten, was nach unten soll…

Qi-Stagnation


kommt und geht wie eine unregelmässige Verdauung. Verstopfung und Durchfälle können sich mit beschwerdefreien Tagen
abwechseln.

Punkte: Pe 6, Pe 7, SJ 6, Le 3, Bl 18, Ma 21, Ren 6, Mi 6, Gb 34 (s.o.)


Pericard 6 «Inneres Grenztor» und Pericard 7 «Grosser Grabhügel»

docken beide an den seelischen Aspekten der Stagnation an. Durch die Jue Yin Schicht sind sie mit der Leber-Energie verbunden. Die Nadelung fühlt sich manchmal an wie ein Stich ins Wespennest und dann kommt die große Befreiung – die Gefühle dürfen da sein und
wieder gehen. Als Dämonenpunkt wirkt er gut bei Zwanghaftigkeit.


SanJiao6«Seitliche rAbfluss»
kann bei Kälte tonisiert und bei Hitze sediert werden. Hier kommt wieder Schwung ins Geschehen, ist es doch der Feuerpunkt
des SJ! Es gilt das Gleichgewicht zwischen Kontakt und Isolation, Herzenswärme und Ausbrennen zu finden.


Leber3«Grosses Hindurchschießen»
Sie haben es schon geahnt: Was wären wir ohne Leber 3, wenn wir Stagnationen lösen wollen? Dieser Punkt hat dazu die Gabe, zu
lösen und die Leber zu tonisieren. Bei jeglicher Anspannung wohltuend und dazu schärft er auch noch die Sicht physisch und
mental (Was wollen wir wirklich?).


Blase18«Shu-Punkt de rLeber»
sorgt für ein gesundes Spannungsverhältnis zwischen Aktivität und Entspannung, Er stärkt auf einer tiefen Ebene die Leber-
Energie. Bei den Shu-Punkten arbeiten wir an der Konstitution und an den Erfahrungen aus der Vergangenheit.


Blutstase


ist eine gesteigerte Qi-Stagnation mit lokalisierten stärkeren Schmerzen. Es können sich tastbare Resistenzen finden. Denken
Sie bei der Nadelung immer an das Auffangen möglicher Emotionen, die schon lange verschoben worden sind und nun auf-
brechen können. Deshalb sind beruhigende
Punkte wie Pe 6 (s.o.) so hilfreich.

Punkte:
Mi 10, Bl 17, Ni 6, Lu 7, Ren 6, Pe 6, Pe 7, SJ 6, Gb 34, Le 3, Bl 18, Mi 6 (s.o.)


Milz 10«Meer des Bluts»
löst Blutstasen gerne zusammen mit Blase 17 (s.u.) über die Anregung der Blutbildung. Sowie er bei starken Menskrämpfen
Schmerzen lindert, unterstützt er auch bei Verkrampfungen des Darms.


Blase 17«Passtor zum Zwerchfell»
öffnet das Zwerchfell und regelt die Beziehung zwischen Atmung und Verdauung. «Flacher Atem führt zu einer schlaffen
Verdauung» – heißt es und tiefes Atmen wird auch im Yoga angewendet, um alle Bauchorgane zu massie-ren. Als Hui-Punktes des Blutes bildet und bewegt er das Blut.

Niere 6 und Lunge 7
öffnen zusammen den Yin Qiao Mai, welcher Stagnationen im UEW zu lösen vermag. Hier lässt sich Kälte und Fülle verteilen.


Nässe-Hitze klären

Begleitet von übelriechenden, brennenden bis hin zu blutigen Stühlen gibt es noch weitere Entzündungszeichen wie Abgeschla-
genheit und Reizbarkeit.

Punkte: Di 11, Milz 9, Bl 25, SJ 6, Ren 10 (s.o.) und Ma 25, Ma
37 (s.u.)


Dickdarm 11«gekrümmter Teich»
ist als stark hitzeausleitender und als Dämonenpunkt, der das Loslassen von Zwangsvorstellungen fördert, bekannt. Wenn es – nicht nur – in der Yang Ming Schicht brodelt, dann kann er ableiten. Er ist als Meer- und Erdepunkt des Dickdarms zweifach prädestiniert zum Ausleiten von Pathogenen.


Milz 9«Quelle am Yinhügel»
als Wasserpunkt der Milz kann er sedierend genadelt pathogene Nässe transformieren. Die Ansammlungen von Feuchtigkeit
können die Erde im buchstäblichen Sinne verwässern und destabilisieren. Die Quintessenzen gehen verloren und Mensch fühlt sich wie ausgelaugt wie eben auch nach an-
haltenden Durchfällen.


Blase 25»Shupunkt des Dickdarms»
tonisiert die Ursprungsenergie. Achten Sie auf den passenden Moment. Im akuten Schub von Hitze ausleiten und nicht tonisieren! Der gestärkte Darm ist gewappneter für alles, was von Außen kommt und bereit, seine Funktionen zu erfüllen und loszulassen ohne in Hektik zu geraten.


Kälte vertreiben


Alle Symptome verschlechtern sich bei Kälte und Wärmeanwendungen tun wohl.
Punkte: Ma 25, Mi 15, Ren 10, Mi 6, Ma 36,
Ma 27 (s.o.)


Magen25«HimmlischerPfeiler»
ist der Alarmpunkt des Dickdarms. Er eignet sich gut zur Diagnose beim akuten Bauchschmerz.
Er unterstützt uns beim Finden unseres Rhythmus, der beim (zu) häufigen Stuhl-gang aus der Bahn geraten ist. Er liegt auf
einer horizontalen Linie zu Milz 15 «Große Waagrechte» (s.u.). Zusammen werden sie oft in der Bauchakupunktur angewendet
(Yuan Heping 2008). Sie stabilisieren das Zentrum und die psychische Verfasstheit. Zusammen mit Magen 37 (s.u.) wird Magen 25 bei chronischen Durchfällen genadelt.


Milz 15«Die große Waagrechte»
ist auch ein Treffpunkt von Milz und Yin Wei Mai. Zwischen ihm und Milz 16 liegt der Übergang zwischen MEW und UEW. Er wirkt
lösend auf die Bauchorgane und festigt unseren Stand im Leben. Der Name weist auch auf seine ausgleichende Wirkung hin:
Die Waage schwankt nicht mehr zwischen Extremen. Ein hilfreicher Punkt auch bei Essstörungen, die den Darm physisch und
psychisch überfordern!


Qi tonisieren und Leere-Kälte klären


Neben der Kälteempfindlichkeit liegt auch eine große Erschöpfung vor. Vernachlässigen Sie das Tonisieren nicht, damit die Erschöp-
fung nicht zunimmt.

Punkte:Ma 37, Ma 39, Bl 21, Ren 6, Ren 12, Mi 6, Mi 15, Bl 20, Bl 25, (s.o.)

Magen 37 «Obere große Leere»
ist der untere Meerpunkt des Dickdarms. Ein Meer-He-Punkt zeigt bei Empfindlichkeit ein vorhandenes Pathogen an und kann
ausleitend wirken.


Magen 39 «Untere große Leere»

ist der untere Meerpunkt vom Dünndarm.Er bewegt gerade bei Bauchschmerzen im UEW das Qi, am besten zusammen mit Milz 6.
Blase 21 «Shupunkt des Magens»
kann eine tiefliegende Schwäche abmildern oder auch eine pathogene Fülle umleiten. Hier arbeiten Sie wie bei jedem Shu-Punkt an der Wurzel. Es geht um das Thema des Sich-Nährens anstatt des Verweilens in Mangelgefühlen. Auch Selbstliebe geht
durch den Magen.


Phytotherapie
Eichenrinde (Quercus robur) ist für Menschen, die zäh durchhalten und verantwortungsvoll (zu)viel auf sich nehmen. Sie beinhaltet eine stattliche Anzahl von Gerbstoffen, die den entzündlichen Darm kühlen und lindern können.

Denken Sie auch an
die unterstützende Wirkung von Flohsamen, Blutwurz und Hirtentäschel.

Im nächster Zeit möchte ich Ihnen noch weitere Empfehlungen , was die Ernährung und Heilpflanzen betrifft, schreiben. Gerne rufen Sie mich an, wenn ich Ihnen weiterhelfen kann!

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